Zeitverschwendung
Zeit ist etwas, was wir messen, sparen, verlieren, vergeuden und haben können – aber wir können sie nicht sehen, berühren, hören oder scheinbar jemals genug davon haben. Aus diesem Grund gilt Zeitverschwendung als etwas, was nur mit gutem Gewissen vonstattengehen kann, wenn alles andere bereits erledigt ist. In meinem Fall habe ich alle mir möglichen Ablenkungen zuvor bereits erledigt.
Zeit hat nur, wer Zeit auch verschwenden kann. (Walter Ludin)
Man muss seine Kräfte verschwenden, um sie überhaupt zu finden.
(Adolf Ritter von Hillebrand)
Ist man ziellos, steht einem die ganze Welt offen. (Andrea Mira Meneghin)
Zeitverschwendung beschreibt eine sinnlose Aktivität, eine schlechte Ausnutzung von verfügbarer Zeit. Durch den Einsatz von unnötig vielen Mitteln oder Ressourcen wird eine erfolglose, sinnlose, planlose und nicht zielorientiert Handlung vollzogen.
Diese Aufgabe machte mich zuerst ein wenig unsicher. ABLENKUNG ist eine intuitive Handlung, die zwar selten von konstruktiven Zielen, dafür aber immerhin von einer Absicht angeregt wird. Heutzutage ist Zeit so kostbar, dass man sie nicht zu verschwenden hat. „Sinnbefreitheit“, Antriebslosigkeit oder fehlende Motivation sind keine Tugenden in unserer Leistungsgesellschaft, weshalb sie selten dokumentiert oder öffentlich ausgelebt werden. Die einzig vergeudete Zeit, die weitestgehend akzeptiert scheint, ist jene, die wir auf sozialen Plattformen und am Smartphone verbringen. Doch folgt diese dem Bedürfnis des kommunikativen Menschen nach Austausch und Information, ist also meistens nicht produktiv, aber motiviert.
Ein Ziel zu haben bedeutet motiviert sein. Was, wenn das Ziel aber ist, keines zu haben? Uns Menschen sind Ziele sehr wichtig, denn, wie will man ohne Ziel wissen, wenn man versagt? Vielleicht habe ich gerade deshalb das Zeitverschwenden als Schritt zwischen Ablenkung und (gescheiterten) Versuch gesetzt. Eine Aufgabe, die es nicht ermöglicht zu versagen. Dementsprechend entwickelte sich der 3. Schritt meines Zyklus schnell zum geheim liebsten.
Oft widmete ich mich thematisch der Zeit, welche mit Hilfe von Anspitz-Überresten, durch das Durchprobieren aller Wachsmalstifte oder mit Bleistitftminen unter der Computermaus aufgezeichnet wurde („Zeitverreib“, „Zeitverstreich“, „Maus mit Minen“, „Facebookchronik“). An Tag 4, 5 und 7 erstellte ich Abdrücke, die ähnlich wie ein Beweismittel Nachweis über meine ziellose Handlung erbrachten („Fingerabdrücken“, „Meine Nase“, „Handyabdruck“). Eine selbstironische Auseinandersetzung mit mir selbst und meiner Ziellosigkeit ist hier spürbar. Des weiteren beschäftigte ich mich sinnlos mit einer Art Buchführung über meine Ernährung („Früh Stückchen“, TAG 9) und über Nahrungsmittel, die ich in der Küche finden konnte, farblich sortiert in laborartigen kleinen „Probe-Klecksen“ („Lecker“, „Leckerer“, „Leckererer“) zu Papier gebracht. Spuren, die Nahrungsmittel hinterließen wurden gezählt und also solche gekennzeichnet („Kaffeeklatsch“, „Maus mit Minen“). In meiner Reinlichkeitsphase an Tag 15 und 16 wischte ich restliche Farbe aus meinen Pinseln und fegte ein sauberes Papier minutenlang besenrein („Pinselrein“, „Besenrein“).
Durch das Betiteln interpretierte ich im Nachhinein manchmal aus versehen ein Ziel in meine eigentlich nicht durchdachte Handlung. So nannte ich am 19. Tag eine Reihe von Zeitverschwendungen, die auf unterschiedliche Art Spuren von Spraydosen zeigten, „Druck ablassen 1-3“ und betitelte das mehrfache Fallenlassen und Aufzeichnen der Landungen eines Lackstiftes und eines Backsteins als „Fallstudie“ (TAG 22/23)
Auffällig war das erhöhte Bedürfnis kurz nach der Halbzeit meines Zyklus Zeit zu verschwenden. Anstelle einer zeichnete ich hier zweimal zwei und einmal sogar drei Vergeudungen auf. An den Tagen 25, 26 und 27 vergeudete ich meine Zeit laut Liste ausschließlich, konnte aber keinen Antrieb finden diese zu dokumentieren.